Focke-Wulf S 24 „Kiebitz Aus Flugsport Heft 06 Jahrgang 1929 Dieses Flugzeug Focke-Wulf S 24 „Kiebitz" ist dem wachsenden Bedürfnis nach einem leistungsfähigen, betriebstüchtigen, in Anschaffung und Unterhaltung billigen Sportflugzeug entsprechend entworfen worden. Im Gegensatz zu den bisherigen ausgesprochenen Leichtflugzeugen wurde beim „Kiebitz" ein etwas stärkerer Motor gewählt. Dadurch wurde eine wesentliche Leistungssteigerung erzielt, die sich vor allen Dingen bei schlechtem Wetter, insbesondere bei Ueberland-flügen, günstig auswirkt. Von vornherein wurde Wert darauf gelegt, daß der „Kiebitz" als Gebrauchsflugzeug für alle Zwecke Verwendung finden kann. Er ist eines der wenigen Flugzeuge in Deutschland, die bei einem Rüstgewicht von unter 400 kg, also in der schwereren Klasse der Leichtflugzeuge, voll kunstflugtauglich sind. Die Festigkeit entspricht mit 10,8facher Bausicherheit der Gruppe 5 der Bauvorschriften der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt. Die Kunstflugtauglichkeit wurde ebenfalls von dieser Prüfungsstelle im Fluge erprobt. Außer tadelloser Ausführung aller anderen Flugfiguren zeigte sich besonders, daß die Maschine nicht leicht ungewollt ins Trudeln kommt, jedoch, absichtlich hineingebracht, gut trudelt und leicht und schnell aus dem Trudeln herauskommt. Obgleich kein Rückenflugvergaser eingebaut war, konnte doch festgestellt werden, daß das Verhalten der Maschine in Rückenlage ebenfalls gut war. Für die praktische Brauchbarkeit wichtig ist ferner die Klappbarkeit der ganzen Zelle. Zwecks Demontage bzw. bequemer Einstellung des Flugzeuges in kleine Räume lassen sich nämlich die Flügel seitlich an den Rumpf klappen. Das Klappen der Zelle geschieht nach Lösen des Querruderseils und Einsetzen zweier leichter, im Rumpf ständig mitgeführter und im Rüstgewicht enthaltener Hilfsstiele durch Herausziehen der 4 Vorderholmbeschlagbolzen, die doppelt gesichert sind. Das Flugzeug hat mit zurückgeklappten Flügeln nur eine größte Breite von 2,40 m und eine größte Länge von 6,3 m bei 2,3 m größter Höhe und kann durch Aufsetzen des Sporns auf ein beliebiges Fahrzeug mit Leichtigkeit geschleppt werden, auf kürzere Strecken sogar auf der Schulter. Beim Ostpreußenflug wurden beispielsweise von der Besatzung (2 Mann) nur 9 Minuten gebraucht, um das in der Halle stehende Flugzeug durch ein 2,50 m breites Tor herauszubringen, aufzurüsten und den Motor abzubremsen.
Focke-Wulf S 24 „Kiebitz". Weiter erfüllt das Flugzeug in vollem Maße die heute gestellten hohen Anforderungen an Stabilität. Mit losgelassenem Steuer geht der „Kiebitz" bei ganz gedrosseltem Motor von selbst in den Gleitflug, ohne mehr als etwa 15—20 km an Fahrt aufzuholen, richtet sich beim Gasgeben, ohne daß das Steuer berührt wird, wieder auf, um bei Vollgas den besten Steigwinkel zu erreichen. Bei schwacher Drosselung verbleibt das Flugzeug im waagerechten Reiseflug. Trotzdem ist die Maschine nicht etwa steuerunempfindlich und durch Vereinigung dieser Eigenschaften somit auch ein ausgezeichnetes Schulflugzeug. Das Flugzeug ist ein verspannter Doppeldecker mit oben und unten gleicher Flügelform und Größe und einer Verspannungsebene, jedoch doppelten Tragkabeln und N-Stiel. Durch die Verwendung eines fast symmetrischen Flügelprofils mit festliegendem Druckpunkt gestaltet sich diese Bauweise besonders vorteilhaft. Die bei geringem Aufwand an Gewicht hohe, für Kunstflugtauglichkeit erforderliche Festigkeit ließ sich so erreichen. Entsprechend dieser Bauart ist ein sehr kräftiger Hauptholm vorhanden, während der Hinterholm nur ganz geringe Kräfte erhält. Jegliche lnnenverspannung fällt fort, und die entsprechenden Kräfte werden durch eine Sperrholzbeplankung auf der Unterseite zwischen den beiden Holmen aufgenommen. Der Rumpf ist ganz aus Stahlrohr verschweißt. Während im Vorderteil zur größtmöglichen Sicherheit bei Brüchen ohne jegliche Ver-spannung alle Diagonalen eingeschweißt sind, ist das Rümpfende ,n üblicher Weise mit Stahldraht ausgekreuzt, wobei der Sicherheit der Drahtösenanschlüsse größte Aufmerksamkeit in der Konstruktion zugewandt wurde. Um die höchste Sicherheit zu erreichen, sind sämtliche Schweißverbindungen, wie bei allen Focke-Wulf-Stahlrohrrümpfen, durch Ueberlappungs- oder Stegbleche verstärkt. Wie leicht trotzdem die ganze Bauart ist, zeigt anschaulich die Abbildung, auf der ein Mann den Rumpf mit Motoreinbau, Haupttank, Baldachinstreben, Steuerung, Kielflosse und Sport über den Kopf hebt. Der Motorraum ist durch Brandschott von den Sitzen getrennt. Hinter dem Führersitz enthält der Rumpf ein Gepäcknetz. Das Fahrgestell besteht ebenfalls aus einer geschweißten Stahlrohrkonstruktion, deren Streben tropfenförmig verkleidet sind. Es ist sehr einfach durch Lösen von 4 Bolzen und der beiden Spannseile abnehmbar. Die Spurweite beträgt 1,50 m. Von den Leitwerksflächen ist die Kielflosse mit dem Rumpf zusammen aus Stahlrohr gebaut. Die Höhenflosse ist in Ganzsperrholzbauart gehalten und mit Sperrholz beplankt. Infolge der Flügelprofileigenschaften kann sie außergewöhnlich klein sein, so daß die Höhenruder größer sind als die Flosse. Eine ausgezeichnete Ruderwirkung auch im Rückenflug ist die Folge hiervon, trotz vorhandener Längsstabilität mit losgelassenem Steuer. Sämtliche Ruder sind in der bekannten Focke-Wulf-Sperrholz-Kastenbauart ausgeführt. Die Querruder sind durch zurückverlegte Ruderachsen, das Seitenruder mittels Ausgleichlappen, die Höhenruder gar nicht ausgeglichen. Die Abstimmung der Ruderkräfte und Wirkungen ist auf diese Weise ausgezeichnet gelungen. Der Führer- und Beobachterraum hat eine lichte Breite von 62 cm, so daß der Führersitz bequem ausgestattet werden kann. Vor dem Führer und Beobachter befindet sich eine Windschutzscheibe. Die Betätigung der Höhen- und Querruder für Führer und Beobachter erfolgt durch Knüppel, während das Seitenruder mittels normaler Fußhebel bedient wird. — Der Führersitz ist hinten angeordnet, während der Beobachtersitz im Schwerpunkt liegt, so daß die Maschine ohne Schwierigkeiten auch ohne Beobachter geflogen werden kann. Die Instrumente zur Ueberwachung des Motors und Flugzeugs sind gut sichtbar am Instrumentenbrett angeordnet. Gasdrossel und Zündung können von beiden Insassen bedient werden. Der aus Messingblech mit Querschotten bestehende Brennstoffbehälter mit 50 kg Fassungsvermögen und natürlichem Gefälle liegt hinter dem Brandspant im Rumpf. Der Oeltank liegt ebenfalls hinter dem Brandschott vor dem Benzintank. Als Triebwerk wird normal der 60/70 PS Siemens Sh 13 verwandt, doch kann auf Wunsch auch jeder andere luftgekühlte Motor von etwa 50 PS an und mit nicht mehr als etwa 130 kg Gewicht eingebaut werden. Der an der Rumpfspitze befindliche ringförmige Motorspant besteht aus Stahlblech und ist durch Schweißungen direkt mit den Rumpflängsholmen verbunden. Die Durchführung aller Leitungen und Gestänge zum Motor durch das Brandschott erfolgt flammensicher. Die Bleche der Haubenverkleidung sind in einfachster Weise aufklappbar, wodurch eine gute Zugänglichkeit zum Triebwerk erreicht wird. Die Abmessungen und Leistungen des „Kiebitz" mit Siemens-Sh-13-Motor sind folgende: Spannweite 8,9 m, größte Länge 6,25 m, größte Höhe 2,25 m, Flügelinhalt 19,5 nr, Rüstgewicht 365 kg, Zufül-lung 220 kg, Gesamtfluggewicht 585 kg, Flächenbelastung 30 kg/m2. Leistungsbelastung 9 kg/PS, Höchstgeschwindigkeit 150 km/Std., Landegeschwindigkeit 70 km/Std., Steigzeit für 1000 m 8 Min., Gipfelhöhe 3500 m. Im einzelnen ist die Konstruktion mit der bei Focke-Wulf bekannten Sorgfalt, in ständiger Wechselwirkung theoretischer Ueberlegung und Rechnungen mit der praktischen Erfahrung, durchgeführt und in ausgedehnter Einflugerprobung zur endgültigen Reife gebracht worden. Belastungsversuche aller wichtigen Teile bis zu den sicheren Lasten fanden an der Mustermaschine statt und gaben durchgehends vorzügliche Resultate, insbesondere gute Uebereinstimmung der elastischen Durchbiegungen der Zelle mit der Berechnung. Die Bestellung des ersten Flugzeuges dankt die Focke-Wulf Flugzeugbau A.-G. dem Bremer Verein für Luftfahrt. Die Musterprüfung war noch nicht beendet, als es den Focke-Wulf-Werken bereits gelang, einen Auslandsauftrag auf 20 Maschinen zu erhalten. 9 von diesen Flugzeugen mußten neben dem gleichzeitigen Bau der übrigen 11 Maschinen in der kurzen Zeit von 2 Monaten vom 15. Dezember 1928 bis zum 15. Februar 1929 geliefert werden. Das Werk wurde dieser durch die außergewöhnliche Kälteperiode erschwerten Aufgabe — man denke allein an die Motorschwierigkeiten beim Einfliegen und der Abnahme —■ in vollem Umfange gerecht. Da auch aus dem Inland weitere Aufträge eingegangen sind, wurde bereits eine neue Serie aufgelegt, die noch zu Beginn der Flugsaison fertiggestellt sein wird.